Österreich sei eine Steueroase, kritisieren u.a. EU und OECD. Kann es dann verwundern, wenn die Republik Österreich ihr – oder unser – Geld auf den Cayman-Inseln anlegt?
Wer von seiner Arbeit oder Pension leben muss, bemerkt nicht, dass Österreich eine Steueroase ist“, stellt die globalisierungskritische Bewegung Attac fest. Wie sollte er oder sie auch? Vom Bankgeheimnis hat er nichts, und die Tatsache, dass der Spitzensteuersatz für Kapitalerträge maximal nur 25 Prozent beträgt, wird ihr Sparbuch auch nicht auffetten. Dass 1993 die Regierung Vranitzky die Vermögenssteuer abgeschafft hat und Kanzler Schüssel 2005 die Gewinnbesteuerung von Kapitalgesellschaften von 34 auf 25 % gesenkt hat, werden die „normalen“ SteuerzahlerInnen gar nicht bemerkt haben.
Die Alpenrepublik liegt unter den Industriestaaten dauerhaft auf den letzten Plätzen, was das Steueraufkommen aus Besitz und Vermögen betrifft. Das fördert den Tourismus: Das Kapital besucht uns gerne. Woher es kommt, das geht niemanden etwas an.
Sollten aber Sie, liebe Leserin, lieber Leser, etwas überflüssiges Geld haben, das Sie wundersam vermehren wollen, dann gehen Sie einfach ins Internet und suchen unter „Steueroase“ und „Österreich“. Da finden Sie viele kritische Artikel zum Thema, aber auch zahlreiche von Beraterfirmen gebotene Gelegenheiten, Ihr Geld auf Bermuda oder den Seychellen oder den erwähnten Cayman-Inseln anzulegen. Sollte die Herkunft Ihres Geldes aber vielleicht nicht ganz sauber sein – das geht schließlich niemanden etwas an -, so raten wir zur Anlage im Kleinwalsertal: Dort ist das Bankgeheimnis besonders streng.
Es ist also nur folgerichtig, wenn die Republik Österreich „ihr“ Geld möglichst günstig anlegen will. Zu diesem Zweck gibt es eine eigene Bundesfinanzierungsagentur, die mehr oder weniger nach eigenem Gutdünken (bis jetzt zumindest) Staatsgeld gewinnbringend anlegen kann bzw. soll.
Auf internationaler Ebene wird seit geraumer Zeit diskutiert, die Steueroasen zu schließen, da sie vor allem der Steuervermeidung und -hinterziehung dienen. Über das Wesen dieser Einrichtungen haben wir im Südwind-Magazin schon mehrmals berichtet. Doch rechtlich ist diese Form der Geldanlage nicht verboten – man kann dem Staat, bzw. seiner Finanzierungsagentur, kein juridisches Fehlverhalten vorwerfen.
Da gäbe es aber noch eine andere Ebene: die der moralischen Legitimität. Soll denn alles erlaubt sein, nur weil es nicht dezidiert de jure verboten ist? Und ein Staat, dessen Recht vom Volk ausgeht – sollte er für die Bürgerinnen und Bürger in seinem Handeln nicht eine Vorbildwirkung an den Tag legen? Wie schaut es da mit der Selbstachtung aus, werter Staat, werte VolksvertreterInnen?
Der zuständige Herr Minister sowie die Herren Präsidenten der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer verteidigen diese Art der Geldanlage, weil sie ja etwas bringe. Geld stinkt eben nicht. Was sagte doch Shakespeares Hamlet über den Zustand des Staates Dänemark?